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Warum der Kampf gegen Werbeblocker ziemlich aussichtslos ist

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Immer mehr Menschen nutzen im Netz einen Werbeblocker (Addon für Firefox). Doch laut heute.de blasen jetzt Teile der Reklamevermarkter zur Gegenoffensive. Wer Werbung blockiert, dem sollen künftig auch keine Inhalte mehr angezeigt werden  – die Blocker sollen geblockt werden.

Weiter unten möchte ich erörtern, warum die Blockade von Nutzern mit Reklameblocker ziemlich schwierig werden dürfte, wo deren politische Grenze ist und warum der Niedergang der Verlage unaufhaltsam scheint. Doch zunächst zum lustigen Teil:

Dreht Apple denn jetzt völlig durch?

Dass jetzt sogar Apple angekündigt hat, einen Reklameblocker in seinen Browser Safari zu implementieren, das bringt den Online-Vermarkterkreis (OVK) so richtig auf die Palme (Hervorhebungen durch mich):

Wenn der US-Konzern den Werbern nun den Geldhahn abdrehen wolle, sei dies eine „inakzeptable Ausnutzung seiner Marktstellung zum Nachteil der Nutzer„, erklärt der Online-Vermarkterkreis (OVK) in einer ersten Stellungnahme. Das Argument: Wer Werbung unterdrückt, unterdrückt letztlich auch die Inhalte, die durch Werbung finanziert werden.

Quelle (nicht verlinkt wegen drohender Depublizierung): http://www.heute.de/kriege-der-blocker-bei-onlinewerbung-wenn-das-video-nur-ohne-adblocker-laeuft-40137192.html )

Mit anderen Worten (meine Interpretation):

Jeder vierte Nutzer in Deutschland (so hoch ist inzwischen die Quote der Werbeblockierer) ist ein Nincompoop Mensch, der keine Ahnung hat, was gut für ihn ist und muss deshalb solange an die Hand genommen werden, bis er kapiert, dass Reklame nur zu seinem Vorteil ist.

Jeder vierte in diesem Lande ist vollkommen auf dem Holzweg, z.B. weil er glaubt, dass Reklame das Geschwür am Arsch der Marktwirtschaft ist. Oder dass Werbung nervt und das Hirn mit falschen Werten verschmutzt. Oder dass Werbung im großen Stil die Glaubwürdigkeit der redaktionellen Unabhängigkeit mindert. Oder was auch immer die Gründe für den einzelnen sein mögen, Reklame zu blockieren.

Wir alle sind dieser Lesart nach offenbar geistig Verwirrte, die fälschlicherweise in der Blockade von Reklame einen Vorteil zu sehen glauben. Wie töricht, der OVK weiß es besser. Nein, wir alle irren. Die wunderbare blinkende Flut voller Doppelwhopper, Abführmittel und DSL-Verträge ist für uns nämlich eigentlich ein Segen. Nur sind wir zu doof, zu erkennen, dass Reklame für uns ein Vorteil ist.

Das Konzept des mündigen Bürgers endet für den OVK offenbar da, wo Reklame für Fußpilzsalbe beginnt.

Den Vorwurf, dass blockierte Reklame auch Inhalte blockieren würde, macht der OVK noch nicht mal uns, dem uneinsichtigen, verblendeten Viertel der Alles-Umsonst-Woller, das nicht in der Lage ist, selbst einzuschätzen, was für uns von Vorteil ist und was nicht.

Nein, die Kritik richtet sich an Apple, weil die nämlich ihre Markstellung zu unserem Nachteil ausnutzen. Und das ist schon ziemlich entlarvend, weil es zeigt, wie die Werbeindustrie den Leser betrachtet: Nicht als ein eigenständig denkendes Wesen mit individueller Motivation, sondern als wirtschaftliche Ressource, die Apple oder der OVK nach Belieben formen, nutzen, beeinflussen oder zu barer Münze umwandeln können.

Die Merkel hat’s doch gesagt: Daten sind die Ressource der Zukunft. Und da geht es nicht nur darum, Daten zu schürfen. Nein, Daten sollen auch hinterlassen werden.

Wen wundert es da, dass genau für dieses unterbelichtete Publikum Inhalte auf dem entsprechenden Niveau gemacht werden?

Werbeblocker blockieren ist doch ganz einfach

Zu erkennen, ob jemand einen Werbeblocker nutzt und ihm deshalb keine Inhalte zu liefern, ist kein Hexenwerk. Die technische Umsetzung dürfte zunächst einmal ziemlich einfach sein.

Nur schläft die Gegenseite aber auch nicht. Nehmen wir an, diese Methode wird erfolgreich umgesetzt. Dann wird Reklame eben künftig nicht so blockiert, dass sie erst gar nicht angefordert wird. Sondern sie wird eben brav angefordert (komplette Seite mit Werbung). Und blockiert (also nicht angezeigt) wird sie dann eben nur lokal.

Das ist zwar eine Verschwendung von Bandbreite, doch was Hans Durchschnitt lokal auf seinem Rechner blockiert, das bleibt für den Werbetreibenden nicht nachvollziehbar.

Diese Technik nutze ich heute schon auf ziemlich simplem Niveau, nämlich bei Radiosendern, die zu Beginn eine Minute lang Werbung spielen, bevor der eigentliche Stream beginnt. Also starte ich den Stream und schalte die erste Minute auf lautlos. Der Sender verbucht dies werbetechnisch als Erfolg, denn der Werbestream wurde ausgeliefert. Wie und was ich lokal blocke, kann der Sender aber nicht wissen.

Die Quadratur des Kreises

Was wir bald erleben, könnte der Auftakt zu einer Art Wettrüsten sein, ein technischer Wettlauf um die Blockade von Werbung und das Erkennen derselben. Am Ende mag es schon sein, dass große Anbieter mit Werbung es schaffen, ihre werbeblockierenden Nutzer auszugrenzen.

Das Problem dabei ist: Eigentlich ist das genau das, was große Anbieter nicht wollen.

Für viele Nutzer wiegen die Nachteile von Werbung viel höher, als der Vorteil von Inhalten, die auch nur von der DPA sind und die man anderswo genauso lesen kann. Die suchen die Seite lieber nicht mehr auf, bevor sie Werbung zulassen.

Die ersten Erfahrungen mit Paywalls in Deutschland (und deren magere Erträge) haben den Verlagen gezeigt, dass viele Menschen einfach nicht bereit sind, für Inhalte zu bezahlen. Da helfen nur hochwertige, exklusive, gut recherchierte Stories.

Es ist wie die Quadratur des Kreises: Einerseits mit Inhalten Geld verdienen zu wollen und andererseits trotzdem die große Reichweite zu behalten (die eben auch in der kostenlosen Verfügbarkeit begründet ist) – wie soll das funktionieren?

Wenn der Tag kommt, wo ich mit Werbeblocker keine Inhalte mehr bekomme, dann ist das für mich OK, denn es liegt eben im Ermessen des Seitenbetreibers, ob er will, dass seine Inhalte gelesen werden. Das steht jedem Anbieter zu, genauso wie das Errichten einer Paywall.

Solche Seiten werde ich dann eben nicht mehr besuchen (das liegt nämlich in meinem Ermessen), auch deshalb, weil ich mir sicher bin, dass ich die meisten der zentral angelieferten Inhalte so oder ähnlich eben auch woanders bekomme.

Denn durch die Beobachtung der Medien über viele Jahre bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass kein Geld für Inhalte noch das kleinere Übel für große Anbieter ist.

Der Super-GAU ist es jedoch, wenn ihre Reichweite schrumpft und sie nur noch eine zahlungswillige exklusive Minderheit erreichen. Denn damit versinken sie im Meer der Bedeutungslosigkeit, zumindest wenn es darum geht, wer die Meinungshohheit im Lande ausübt.

Dass sich große Anbieter im Netz aus der durch sie dominierten Meinungsbildung der Bevölkerung zurückziehen und das Feld denen überlassen, die Inhalte für mau und ohne Werbung anbieten, das ist so gut wie ausgeschlossen.

Denn wir sollen wissen, was Merkel denkt und tut, warum der Mindestlohn so toll ist und wieviele Dinger Bayern Münchens Haxenmillionäre irgendeiner Losertruppe ins Netz gesemmelt hat. Denn das ist der Schmierstoff, der den ganzen Laden am Laufen hält.

Dazu ist die politische Funktion der Verlage als vierte, demokratisch nicht legitimierte Gewalt viel zu wichtig.

Sonst hätten sie längst schon alle die Paywalls hochgezogen, wenn es nur um Geld ginge. Denn ihre Inhalte sind ja Geld wert, sagen sie. Und wer das nicht zahlen will, bleibt eben außen vor.

Die Verlage haben es nicht getan, weil sie den Einbruch ihrer eh schon wegbröckelnden Reichweite am allermeisten fürchten.

Das ist der Grund, warum es bisher weder zu strikten Paywalls, noch zur Blockade von Werbeblockern gekommen ist. Und warum wir nur halbherzige Versuche gesehen haben, aus Verlagsinhalten im Internet konsequent Geld zu machen. Warum es maximal heißt: „Die ersten 10 Artikel sind frei, danach musst Du zahlen“ oder „Wenn darauf verlinkt wird, kann man es trotzdem lesen“ usw.

Weil die Verlage die Quadratur des Kreises wollen: Geld für die Inhalte, aber trotzdem irgendwie die volle Verfügbarkeit für alle. Weil die Aufmerksamkeit der Masse am Ende wichtiger ist als Geld. Auch wenn es wehtut.

Der letzte Strohhalm, der dann noch bleibt, ist der Versuch, so eine Art Verlags-GEZ einzuführen. Das dürfte aber schwierig werden für eine Branche, die als faktisch vierte Gewalt demokratisch rein durch gar nichts legitimiert ist.

Wenn Inhalte durch Paywalls bezahlt werden müssen oder an den Konsum von Reklame gekoppelt werden, dann ist der Niedergang der Verlagsdominanz unausweichlich.

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